Der richtige Content für schmalere Budgets

Der richtige Content für schmalere Budgets

Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie führen in nicht wenigen Softwareunternehmen zur Kürzung von Übersetzungsbudgets. Selbstverständlich darf dennoch die Kommunikation mit Kunden und Geschäftspartnern in aller Welt nicht abreißen.

Vor diesem Hintergrund ist eine maximal kosteneffiziente Lokalisierungsstrategie für Software erforderlich – und genau darum geht es in unserer neuen Blog-Serie. Im einleitenden Artikel haben wir bereits einen Fahrplan zum Umgang mit schmaleren Übersetzungsbudgets entworfen. Jetzt gehen wir genauer ins Detail und klären: Nach welchen Gesichtspunkten können Lokalisierungsmanager und andere Stakeholder in Unternehmen entscheiden, bei welchen Übersetzungen sie zuerst den Rotstift ansetzen sollen?

Der nötige Durchblick

Je größer das Unternehmen, desto komplizierter gestaltet sich in der Regel die Koordination von Lokalisierungsprojekten. Schließlich beauftragen nicht selten unterschiedlichste Interessensparteien Übersetzungen – ob regionale Niederlassungen auf unterschiedlichen Kontinenten oder voneinander unabhängig arbeitende Abteilungen wie HR, Legal oder Produktteams.

Wenn Sie Ihr Übersetzungsbudget optimal ausschöpfen möchten, benötigen Sie zunächst einen realistischen Überblick über Ihren gesamten Übersetzungsbestand. Erst nach dieser Orientierung können Sie gezielte Sparmaßnahmen ins Auge fassen. Beurteilen Sie zu übersetzende Inhalte dabei nach folgenden Kriterien:

Compliance

Um festzustellen, wie viel Spielraum Ihr Übersetzungsbudget überhaupt bietet, müssen Sie erst einmal herausfinden, auf was Sie überhaupt verzichten können. Schließlich sind viele Übersetzungen kein nettes Extra, sondern zwingend notwendig, um als Unternehmen auf internationalen Märkten zu agieren. Nicht selten kommen hier auch rechtliche Gesichtspunkte zum Tragen. Zwei Beispiele aus unserer Branchenpraxis:

  • EU-Maschinenrichtlinie (2006/42/EG): Die Richtlinie regelt das Inverkehrbringen von Maschinen im europäischen Wirtschaftsraum. Von zentraler Bedeutung für die Sicherheit der Produkte ist dabei eine vollständige und korrekte Dokumentation mit entsprechenden Sicherheits- und Warnhinweisen. So heißt es in Anhang I der Richtlinie: „Jeder Maschine muss eine Betriebsanleitung in der oder den Amtssprachen der Gemeinschaft des Mitgliedstaats beiliegen, in dem die Maschine in Verkehr gebracht und/oder in Betrieb genommen wird.“ Da die Benutzerdokumentation Teil des Produkts ist, haftet der Hersteller nicht nur für das eigene Produkt, sondern auch für eine korrekte und sichere Benutzerdokumentation in der Sprache des Zielmarkts.
  • Globale Softwareunternehmen müssen manchmal Informationen im Hinblick auf Compliance oder Ausschreibungsverfahren übersetzen, insbesondere, wenn es sich bei ihren Endbenutzern um staatliche Institutionen handelt.

Qualitätsanspruch

Ein schmaleres Budget bedeutet nicht zwangsläufig, dass Übersetzungen komplett gestrichen werden müssen. Eine erwägenswerte Alternative lautet, die benötigten Texte günstiger zu produzieren – Stichwort maschinelle Übersetzung (MT).

In der Regel sind MT-gestützte Übersetzungen stilistisch weniger ansprechend, weisen eine geringere Textkohärenz auf. Deshalb sollten Sie MT hauptsächlich für Texte einsetzen, die in erster Linie verständlich und informativ sein sollen. Dazu gehören beispielsweise:

  • Produktdokumentation, Support-Ressourcen oder User Content – notwendige technische Inhalte, die aufgrund ihres großen Umfangs auch einen beträchtlichen Teil des Übersetzungsbudgets beanspruchen
  • Content mit kurzer Lebensdauer –z. B. Spezifikationen zu Produkten, die nur für kurze Zeit in Onlineshops erhältlich sind

Das Einsparpotenzial mit MT beträgt bis zu 60 Prozent, was gerade in Krisenzeiten eine besonders attraktive Option darstellt. Lassen Sie trotzdem die damit verbundenen Risiken nicht außer Acht – der Umgang mit maschineller Übersetzung ist komplexer, als es auf den ersten Blick scheint. Vermeiden Sie in jedem Fall, maschinelle Rohübersetzungen ungeprüft zu übernehmen – zu häufig stößt man im Internet beispielsweise noch auf übersetzte Firmenwebsites, die ein Unternehmen aufgrund fehlerhafter MT in ein schlechtes Licht rücken.

Mehrwert

Nicht immer planen Unternehmen strategisch und ganzheitlich, welche Inhalte sie übersetzen wollen. Das hängt auch damit zusammen, dass sich der Kommunikationsfluss zwischen den zahlreichen Stakeholdern von Übersetzungsprojekten, die oft in vielen verschiedenen Ländern sitzen, schwierig gestaltet.

Dabei macht es absolut Sinn, sich einmal Gedanken zu machen, welchen Mehrwert eine konkrete Übersetzung eigentlich generiert. „Mehrwert“ kann dabei je nach Kontext unterschiedlich definiert sein: gesteigerte Verkaufszahlen, eine Stärkung der Kundenbindung oder eine höhere Brand Awareness.

Zur Analyse dieses Mehrwerts finden Sie unzählige Daten in einschlägigen Marketing-Dashboards – von Google Analytics über HubSpot, WordPress bis hin zu CRM-Systemen oder Content-Management-Tools. Wichtige Kennzahlen zur Messung des Mehrwerts von Übersetzungen sind unter anderem:

  • Reichweite: Website-Traffic, # Seitenaufrufe, # Downloads, auf der Website verbrachte Zeit
  • Engagement: Return Rate, # Shares/Likes in sozialen Netzwerken
  • Sales: generierter Umsatz, # neuer Leads, Conversion Rate

Zwei Anwendungsbeispiele:

  • Tools wie „Site Content“ in Google Analytics geben Aufschluss darüber, welche Unterseiten und Ressourcen auf Ihrer Website besonders stark/schwach nachgefragt werden – ein guter Ausgangspunkt, um zu entscheiden, mit welchen Übersetzungen Sie eine besonders hohe Reichweite erzielen.
  • Die Übersetzung umfangreicher Produktdokumentation ist kostspielig. Ob Ihre Anwender aber die lokalisierte Dokumentation auch tatsächlich intensiv nutzen oder vielleicht sogar lieber in der Originalsprache abrufen, sollten Sie rechtzeitig überprüfen – denn nicht immer halten sich hier Aufwand und Nutzen die Waage.

Fazit

Zweifellos lassen sich vielerlei Maßstäbe anlegen, um zu beurteilen, welche Übersetzungen besonders wirkungsvoll und welche gar zwingend notwendig sind. Unsere Empfehlung: Betrachten Sie Übersetzungen nicht allein als lästige Pflicht, sondern als strategische Geschäftschance, die Sie genauso enthusiastisch wie andere Geschäftsinitiativen angehen sollten. Mit derart geschärftem Blick und modernen Datenanalysen sollte es Ihnen gelingen, auch in finanziell angespannten Zeiten Ihre Markenbotschaft erfolgreich in Zielmärkte zu transportieren.

Johannes Rahm

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Johannes ist ein erfahrener Übersetzer, Copywriter und SEO-Spezialist, der seit über einem Jahrzehnt in der Lokalisierungsbranche aktiv ist. Sein Fokus liegt dabei auf der Übersetzung von Marketing-Content für führende B2B-Unternehmen in der DACH-Region. Trotz seiner Passion für Science Fiction hält er die menschliche Sprache auch im Zeitalter von KI für unsere mächtigste „Technologie“ und erkundet fortlaufend ihr Potenzial, Menschen und Organisationen zusammenzubringen und zu inspirieren.